+++erfolgreiche Kundgebung mit über 60 Menschen am 10.12.2013+++
Nachdem in diesem Jahr bereits in Hellersdorf, Duisburg, Schneeberg und vielen anderen Städten von Anwohnern gegen geplante bzw. bereits eingerichtete Unterkünfte für Asylsuchende Stimmung gemacht wurde, scheint sich diese traurige Entwicklung auch in Hamm fortzuführen. Anlass hierfür war das Gerücht über eine geplante Behausung in der Waldenburgerstraße im Stadtteil Herringen. In der Filiale des Juwelierbetriebes Liebehenschel in Herringen lag alsbald ein Schreiben an den Oberbürgermeister nebst Unterschriftenliste aus. Initiatorin der Aktion und Verfasserin der Petition ist die Leiterin der Beckumer Filiale des Juweliergeschäfts. In ihrem Schreiben bittet sie den Oberbürgermeister der Stadt Hamm, seine Entscheidung nochmal „zu überdenken“, da sich die Anwohnenden in den vergangenen Jahren bereits durch vermeintlich migrantische Jugendliche belästigt und bedroht gefühlt hätten, die zuvor in den nun leerstehenden Wohnhäusern gelebt haben sollen. „Vorverurteilen“ wolle sie niemanden, etwas gegen „Ausländer“ habe sie schon gar nicht, führt sie in ihrem Brief an. Sie verstehe ja, dass „diese Menschen […] einen Ort an dem sie sicher sein können“ bräuchten. Nur an die Anwohnenden solle dabei auch gedacht werden. Das Schreiben, welches uns vorliegt, argumentiert vornehmlich mit der Sorge, dass sich die Situation der Anwohnenden verschlechtern können und plädiert für einen anderen Standort der Unterkunft damit die Ruhe, die im Viertel herrscht erhalten bleibt und der Stadtteil Herringen nicht weiter abgewertet wird. Die Vorverurteilung der Menschen, die Deutschland auf eine ruhige und sichere Zukunft hoffen, ist der Hauptbestandteil ihrer Argumentation – und damit ausgrenzendes Gedankengut par excellence. Auch eine Mitarbeiterin der Juwelier Filiale in Herringen versicherte, eine Unterschrift sei „völlig ungefährlich“, die Verfasserin gehöre ja nicht zu den Rechten. Dass diese Entwicklung alles andere als „völlig ungefährlich“ ist, sollten eigentlich die Ereignisse zeigen, die sich über die letzten 20 Jahre in Zusammenhang mit bürgerlichen Protesten gegen Flüchtlingsheime ereignet haben. Die „besorgten Anwohner und Anwohnerinnen“ scheinen nicht zu bedenken, dass ihr eigenes Denken und Handeln in diesem Zusammenhang und sie mit ihren Aktionen dazu beitragen eine feindliche und hasserfüllte Stimmung zu schüren, die in der Vergangenheit auch zu Übergriffen und gewalttätigen Auseinandersetzungen führte. Auch zeigt das Beispiel Herringen, wie sich auf Basis scheinbar informierter Bürger_innen und falscher Gerüchte sehr schnell eine große Menge Menschen zusammenfindet, um ihrem Rassismus und Fremdenhass Ausdruck zu verleihen. Ungeprüft werden Vorurteile reproduziert, auch wenn es keinerlei tatsächlichen Anlass gab. Auch das passiert in Herringen nicht zum ersten Mal und ist nur ein weiteres Beispiel für den Hass auf alles Fremde und Unbekannte, der in der deutschen Mehrheitsgesellschaft herrscht. Der Stadtteil Herringen, der als einer der sogenannten „sozialen Brennpunkte“ Hamms gilt, brachte in der Vergangenheit bereits eine andere Bürgerinitiative hervor, die sich gegen den Moscheebau der lokalen Muslimischen Gemeinde richtete. Dort stellte sich nach Nachforschungen heraus, dass sie maßgeblich auf das Betreiben von Rechten gegründet worden war. In der weiteren Entwicklung der Frage nach einer Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Hamm tagte dann der Sozialauschuss der Stadt Hamm. Nachdem das Gerücht durch den Oberbürgermeister und seine Sprecher ausgeräumt war und gleichzeitig gegenüber Vertretern der Jugendlichen ohne Grenzen, einer Gruppe von selbst organisierten Flüchtlingen in Hamm, die ihr Konzept einer dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen der Stadt vorgestellt hatten und seitens des Sozialamtes auch Zuspruch dazu erhielten, kam es zu einer Wendung, die überaus typisch ist für eine Stadt wie Hamm. Da sprach sich der Leiter des Amts für soziale Integration dann plötzlich dafür aus, alles so zu lassen wie es ist. Das heißt weiterhin Übergangsheime, weiterhin kein Konzept für eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in der gesamten Stadt. Es soll so bleiben wie es ist – und das bedeutet, Menschen weiterhin in unwürdigen Zuständen zu belassen, ihnen ein konsequentes Bleiberecht, die Möglichkeit eines Lebens in Freiheit und Selbstbestimmung zu verweigern. Wir fordern die stadt auf, endlich ein menschenwürdiges Konzept für eine dezentrale Unterbringung vorzulegen. Damit es nicht so bleibt, wie es ist: auf die Straße. Wir unterstützen die Jugendlichen ohne Grenzen bei ihrer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Hamm.