…und warum wir uns nicht zwischen eine Millî Görüş-Moschee und Pro Deutschland stellen.
Für Dienstag, den 27.08.13, hat die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pro Deutschland eine Kundgebung vor der „Grünen Moschee“ in Hamm-Heessen angekündigt. Gegründet im Jahr 2005, hat Pro Deutschland personelle Überschneidungen mit Pro Köln und Pro NRW. Nachdem Pro Deutschland am 22. August ihre Wahlkampftour vor einem Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf startete und dort gegen Flüchtlinge und Asylsuchende hetzte, touren sie nun einen Monat durch ganz Deutschland und demonstrieren dabei mit kläglichen fünf bis zehn Personen vor Orten, mit denen sie Flüchtlinge, Muslime oder Linke in Verbindung bringen.
Genau wie NPD und andere Rassist_innen nutzen sie die „Krisenstimmung“ hierzulande, um Fremd- und Feindbilder zu bestätigen und Ängste zu schüren. Dabei wird alles, was den deutschen „Volkskörper“ bedroht, ob Flüchtlinge – die Bedrohung von Außen – oder muslimische „Migranten“ – die Bedrohung von Innen – zum Feind stilisiert. Im Geiste deutscher Leitkultur setzen sie sich für die Bewahrung „des preußischen Erbes“ und des „abendländischen Charakters Deutschlands“ ein und wenden sich gegen die „Multikulti-Gesellschaft“. Sie fordern die Kenntnis der deutschen Sprache als Bedingung für einen dauerhaften Aufenthalt „integrationswilliger Ausländer“ und wollen gleichzeitig Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, aus dem Regelunterricht nehmen lassen. Neben der beliebten Formel von der sofortigen Abschiebung „krimineller Ausländer“ findet sich unter ihren Forderungen auch die Verschärfung des Asylgesetzes – aberwitzig angesichts der Tatsache, dass das Recht auf Asyl 1993 mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD faktisch abgeschafft wurde. Die Abschaffung war die Folge rassistischer Debatten und Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, Mölln oder Solingen, in einem Klima, wie es in diesen Tagen auch in Duisburg oder Berlin-Hellersdorf aufzukommen scheint. Bis heute hat die Abschaffung des Asylrechts für schutzsuchende Flüchtlinge verheerende Konsequenzen und lässt die Situation der Asylbewerber_innen in Deutschland so prekär werden.
Als „Muslime“ kollektivierte Migrant_innen oder Nachkommen von Migrant_innen sind ebenfalls ein Dorn im Auge der Pro Deutschland-Rassist_innen. So halten sie viele Kundgebungen vor Moscheen ab, wo sie gegen „islamistische Hassprediger“ und „religiöse Fanatiker“ hetzen, die sie in ihrer irrational-paranoiden Phobie hinter all denjenigen vermuten, die sie als „Muslime“ wahrnehmen, ob diese nun gläubige, weniger gläubige oder gar keine Muslime sind. Ein fremd klingender Nachname, eine bestimmte Kleidung oder ein Bart können ausreichen, um in den Augen der Rassist_innen als „Muslim“ identifiziert zu werden, samt der damit verbundenen Zuschreibungen „fremd“, „gefährlich“, „rückständig“, „gewaltbereit“ o.ä.
Sich dem deutschen Mainstream-Jargon anpassend fordert Pro Deutschland „Toleranz und Achtung gegenüber denjenigen Ausländern, die als Gäste auf Zeit bei uns arbeiten, sowie eine Trennung in Freundschaft von jenen, die hartnäckig integrationsunwillig oder -unfähig sind und/oder unsere Sozialsysteme dauerhaft ausnutzen.“ So wird Rassismus wieder salonfähig, auch durch die subtile Vermischung mit mehrheitsfähigen Forderungen beispielsweise nach Kitaplätzen oder mehr „Familienfreundlichkeit“ erscheint die Bewegung erschreckend bürgernah. Mit verkürzter Kapitalismuskritik, insbesondere der populistischen Hetze gegen Großkonzerne und –banken und der Forderung nach „Zurückweisung der Machtansprüche der multinationalen Unternehmen“, stehen sie NPD und Co. auch in Sachen (strukturellen) Antisemitismus’ in Nichts nach, haben aber gleichzeitig Schnittmengen mit Diskursen der „Mitte“.
Wir richten uns entschieden gegen Pro Deutschland wie gegen Rassist_innen jeglicher Couleur. Wir verurteilen die menschenverachtende Hetze der Rechtspopulist_innen gegen Flüchtlinge und gegen Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, sowie die rassistische Konstruktion einer Gruppe „der Muslime“ und ihre Diffamierung.
Rassismus und Antisemitismus kommen jedoch nicht nur aus den Reihen erbärmlicher Haufen wie Pro Deutschland. Die Grüne Moschee in Hamm-Heessen steht unter dem Dachverband der Millî Görüş-Bewegung („Nationale Sicht“). Diese autoritäre und streng hierarchische islamistische Organisation wird in der Türkei von der nationalistisch-islamistischen Partei Saadet Partisi repräsentiert. Ihr bereits verstorbener Gründer Necmettin Erbakan, der in seiner politischen Laufbahn mehrere in der Folge immer wieder verbotene Millî Görüş-Parteien gründete und wegen Volksverhetzung eine Haftstrafe verbüßen musste, gilt als ideologischer Vordenker und Führerfigur der Millî Görüş-Bewegung. In seiner Propagierung einer „islamischen Ordnung“ und dem Streben nach einer „nationalen und islamischen Einheit“ der Türkei argumentierte und agierte er stets chauvinistisch und antisemitisch, hetzte gegen Juden, „Freimaurer“, die „zionistische Verschwörung“ oder „Amerika“. Wenngleich sich die Führung der Millî Görüş Bewegung öffentlich vom Antisemitismus distanziert, finden sich auf Webseiten der Organisation Verschwörungstheorien, in denen sich Zionisten, Geheimdienstagenten und Freimaurer ein buntes Stelldichein geben, ein Satellitensender der Bewegung strahlte Filme aus, in denen Juden der Ritualmord an Kindern unterstellt wird, das inoffizielle Sprachrohr der Millî Görüş-Bewegung, die Milli Gazete, ist für antisemitischen Aussagen und Holocaustleugnung bekannt.
Wir wollen nicht jeden einzelnen Gläubigen, der sich der Grünen Moschee irgendwie zugehörig fühlt, des Antisemitismus bezichtigen. Millî Görüş repräsentiert nur eine sehr kleine Minderheit von Muslimen in Deutschland, bzw. von türkischen Migrant_innen und ihren Nachkommen. Eben deshalb ist die Kundgebung von Pro Deutschland besonders perfide, geht es hier doch gegen eine Moschee, und nicht gegen eine Ideologie, und wird hier Hetze gegen „Muslime“ unter dem Deckmantel der Kritik von Islamismus verbreitet. Wir werden heute nicht gegen die einen Rassist_innen und Antisemit_innen auf die Straße gehen, um uns solidarisierend vor eine Moschee zu stellen, die von einer chauvinistischen, islamistischen, nationalistischen und antisemitischen Organisation betrieben wird.
Gegen jeden Antisemitismus und Rassismus!